Wenn du dich antifaschistisch organisierst, bist du nicht nur für deine eigene Sicherheit verantwortlich, sondern auch für die deiner Gefährt*innen und weitere politische Strukturen, in denen du dich bewegst. Es ist daher wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, welche Dinge wem erzählt werden können und welche nicht erzählt werden sollten. Auch ist wichtig darauf zu achten, in welchen Kontexten über Dinge gespochen werden kann und in welchen nicht.
Vielleicht sind euch bereits die Merksätze „Keine Namen, keine Strukturen“ und „Anna & Arthur haltens Maul“ bekannt. Aber was heißt das und warum ist das wichtig?
Generell gilt: Sprecht nur mit beteiligten Personen darüber…
- …welche für die Ermittlungsbehörden relevante Aktionen ihr gemeinsam gemacht habt.
- …welche Personen an welchen Aktionen beteiligt waren.
- …mit welchen Personen ihr euch wo oder wie oft trefft.
- …mit welchen anderen Gruppen etc. ihr vernetzt seid.
Mit unbeteiligten Personen, also Personen, die nicht an Aktionen oder Organisierungen beteiligt waren/sind, soltet ihr über diese Dinge gar nicht sprechen.
Warum ist das so?
Belastung anderer Personen
Sollte eine Aktion oder eine Organisationsform für die Cops interessant werden, dann ist es gut, wenn so wenige Personen wie möglich von etwas wissen. Jede Person, die du einweist, wird ggf. zur „Mitwisser*in“. Das bedeutet, du verwickelst Personen eventuell in Verfahren, von denen diese eigentlich nicht betroffen wären. Auch wenn es nett und vertrauensvoll gemeint war, der Person ein bisschen was zu erzählen.
Zudem sollte dir bewusst sein, dass dieWeitergabe von Informationen nicht nur dich betrifft, sondern auch deine Genoss*innen. Wenn du eine Person deines Vertrauens einweihst in Dinge, die du tust, denke daran: Diese Dinge machst du nicht allein und mit der Weitergabe einer Information kannst du auch deine Genoss*innen belasten.
Es kann sich komisch anfühlen, mit vertrauten Personen bestimmte Dinge nicht zu besprechen, auch wenn ihr ansonsten Vieles teilt. Du musst dein enges Umfeld (WG, Freund*innenkreis etc.) aber auch nicht „anlügen“. In der WG, im Freund*innenkreis etc. ist es möglich, Personen zu kommunizeren, das man politisch aktiv ist. Der Inhalt dieser Aktivität sollte allerdings diskret gehalten werden. Statt zu sagen „Ich gehe jetzt zu einem Treffen mit Gruppe XY für Aktion XY“ Kannst du auch sagen: „Ich habe noch ein Treffen“. Du kannst Personen erklären, warum du leider nicht ausfühlicher über Dinge sprechen kannst und dass das nicht daran liegt, dass du ihnen nicht vertraust.
Tausch dich am besten mit deinen Genoss*innen aus. Überlegt euch gemeinsam, wie ihr über Dinge sprechen bzw. nicht sprechen wollt – womit ihr euch wohlfühlt aber auch auf eure eigene Sicherheit sowie die Anderer achtet.
Dass das Bedürfnis entsteht, bestimmte Dinge weiterzuerzählen, ist ganz normal. Allerdings ist es wichtig zu hinterfragen, wie dieses Bedürfnis in bestimmten Situationen entsteht: Geht es mir gerade darum, mich bei Leuten zu profilieren, indem ich zeige, was für Aktionen ich bereits gemacht habe oder wie gut ich vernetzt bin? Oder ist die Weitergabe einer Infomation gerade sinnvoll und unbedenklich? Um dem Bedürfnis, Dinge an Dritte weiterzuerzählen, entgegen zu kommen, kann es auch helfen, eine gute Gesprächskultur innerhalb eurer Gruppen oder Bezugsgruppen zu entwickeln. (Siehe hierzu ❤️🩹 Emotionen und Fürsorge).
Wie bewerte ich jemanden als vertrauenswürdig? Was sind Backgroundchecks?
Ein Kriterium, nach dem Informationen geteilt oder nicht geteilt werden, ist die Vertrauenswürdigkeit einer Person. Aber wie bewerte ich diese? Fälle von V-Personen [V = Kurzform für Vertrauen] oder verdeckten Ermittler*innen sollten nicht paranoid machen, aber erinnern daran, wie Vertrauen in andere Personen in der Vergangenheit ausgenutzt wurde.
Es gibt keine perfekte Herangehensweise, die hundertprozentigen Schutz bietet, um das Risiko einer solchen Unterwanderung zu reduzieren. Es kann allerdings helfen, mit den Menschen, mit denen ihr Politik macht oder machen wollt, darüber zu sprechen, was diese bisher in ihrem Leben bereits gemacht haben oder in welchen Kontexten sie sich bewegt haben. Diese Angaben könnt ihr gegenseitig über Kontakte oder auch Internetrecherchen versuchen zu überprüfen. Personalsausweise, Zeugnisse etc. bieten euch hierbei keine Absicherung. Die Ermittlungsbehörden verfügen über eine Vielzahl an Möglichkeiten diese Dokumente zu erstellen. Hier hilft eher eine Überprüfung verschiedener Lebenslauf-Etappen. Kennt ihr Personen, die mit der Person auf einer Schule waren? Kennt ihr langjährige Freund*innen der Person? Kennt ihr Personen in der Stadt, in der die Person aufgewachsen ist, die die Person kennen könnten?
Backgroundchecks sollen nicht als Verhörmaßnahme dienen, sondern eure Strukturen schützen. Versucht es zu normalisieren, euch gegenseitig Fragen zu stellen – auch wenn es erst befremdlich erscheint.
In der linken Szene gibt es viele Informationen, die zu unrecht nicht geteilt werden. Dadurch entstehen Wissenshierarchien. Das beschreibt eine Form der Überlegenheitsperformance durch das bewusste Vorenthalten von Informationen. Dabei werden Infos nicht aus Schutz- oder Repressionsrisiken ausgelassen, sondern nur um einen sozialen Status und Anerkennung zu erlangen. Überlegt euch also gut, ob es uns oder andere schützt, Infos nicht zu teilen, oder ob ihr euch mit der Information profiliert.